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Brüche (Frakturen) des Schultergürtels
 
Publikation 2 - Teil 3 Versorgung der Mehrfragment - Fraktur  
Biologisches, weichteilorientiertes Therapiekonzept zur Behandlung der Mehrfragmentfrakturen des proximalen Humerus
Patient 2

Unfallbild
Patient 2
Unfallbild
nach 3 Wochen Ruhigstellung Patient 2
nach 3 Wochen Ruhigstellung

6 Mte nach frühsekundärer Versorgung.

Patient 2
6 Mte nach frühsekundärer Versorgung.

Patient 3

Patient 3
Unfallbild
Patient 3
4 Monate nach frühsekundärer Versorgung
Schulterfunktion 1 bei Abschlusskontrolle. Patient 3
Schulterfunktion 1 bei Abschlusskontrolle.
Schulterfunktion 2 bei Abschlusskontrolle.

Patient 3
Schulterfunktion 2 bei Abschlusskontrolle.

Schulterfunktion 3 bei Abschlusskontrolle.

Patient 3
Schulterfunktion 3 bei Abschlusskontrolle.

Patient 3
Schulterfunktion 4 bei Abschlusskontrolle.

Diskussion

Die operative Behandlung der Schulterfrakturen ist in vielen Punkten kontrovers. Betreffend des Operationszeitpunktes werden die meisten Frakturen heute möglichst früh d.h. im Akutstadium innerhalb von Tagen operiert [1,5,10]. Die frühsekundäre Versorgung der subkapitalen Humerusmehrfragmentfraktur erachten wir in verschiedenen Hinsichten als geeigneteres Konzept in der Behandlung dieser schwierigen Verletzung, welche bis jetzt häufig mit einer Teilinvalidität des Patienten geendet hat: 1. Der definitive Eingriff kann in allen Belangen geplant werden, was sich günstig auf den Patienten und dessen Compliance auswirkt. 2. Diese schwierige Operation kann vom geübten, mit der Schulterchirurgie vertrauten, Traumatologen elektiv durchgeführt werden, was zwangsläufig mit einer Qualitätsverbesserung verbunden ist. 3. Die Schwellung der Weichteile ist durch die praeoperative Ruhigstellungszeit mehrheitlich verschwunden. Dies vereinfacht die Operation, und vermindert auch die postoperativen Schmerzen. 4. Die bindegewebige und köcherne Konsolidation zwischen Kalotten- und Schaftfragmenten ist nach 3-4 Wochen bereits soweit fortgeschritten, daß die intraoperativ gelösten und reponierten Fragmente mit wenig Osteosynthesematerial bewegungsstabil fixiert werden können.

Ein weiterer Punkt, der die Unsicherheit in der Behandlung dieser Frakturen widerspiegelt, ist die Verfahrenswahl. Die Versorgung mittels einer primären Hemiarthroplastik wird vorallem beim älteren Patienten und im amerikanischen Sprachraum propagiert [1, 8]. In der letzten Zeit ist man aber dazu übergegangen möglichst kopferhaltend zu operieren [3,5]. Aufgrund der speziellen Durchblutungsverhältnisse [4] eignet sich jedoch nicht jedes Osteosyntheseverfahren, und die Rate der postoperativen Kopfnekrose ist hoch. Zudem wurde der Schonung bzw. Wiederherstellung des Weichteilmantels bis jetzt zu wenig Rechnung getragen. Verschiedene Autoren (Jaberg et al. [6]; Resch et. al. [9, 10]) sind dazu übergegangen nun eine Minimalosteosynthese nach biologischen Kriterien durchzuführen. Diese Verfahren sind aber auf spezielle Patientengruppen (z. Bsp. junge Patienten mit wenig Osteoporose, valgusimpaktierte Frakturen) beschränkt worden. Unser Konzept verbindet viele Vorteile der bereits genannten Verfahren: Mit der frühsekundären Behandlung wenden wir ein biologisches, weichteilorientiertes, und funktionelles Verfahren mit einer bewegungsstabilen Minimalosteosynthese an. Unser Konzept kann nach unseren Erfahrungen zudem auf alle Patienten angewendet werden.

Ein weiterer Vorteil liegt in der Möglichkeit unmittelbar postoperativ mit der kontinuierlichen, passiven Bewegungstherapie zu beginnen. Sie verhindert die Bildung störender Verwachsungen subakromial und führt somit zur schnelleren schmerzfreien Funktion, was sich auch auf die Hospitalisationszeiten auswirkt. Unsere Nachkontrollen zeigen eindrücklich die Diskrepanz zwischen den guten postoperativen, subjektiven und objektiven Resultaten und den radiologischen Schlusskontrollen, wo nicht selten die Anatomie "schlecht" wiederhergestellt erscheint. Die knöcherne Anatomie ist unseres Erachtens weit weniger wichtig als früher angenommen. Existieren doch auch Schilderungen [6] von Patienten, die trotz einer Humeruskopfnekrosen eine subjektiv und objektiv gute, schmerzfrei funktionierende Schulter haben. Wir sind der Meinung, daß für den guten Verlauf nach dieser schweren Verletzung nebst der guten knöchernen Konsolidation vorwiegend die Verhinderung eines postoperativen Impingementsyndroms durch hochgestiegene Fragmente und eine gute Zentrierung des Humeruskopfes durch eine intakte Rotatorenmanschette entscheidend ist. Die Impaktion der Gelenkflächen und der gestörte Inklinationswinkel führt zwar zu einer motorischen Schwäche, welche nach unserer Erfahrung vom Patienten aber weit besser toleriert wird, als eine eingeschränkte, schmerzhafte Beweglichkeit.

Unser weichteilorientiertes Konzept schenkt der ungehinderten und intakten Beweglichkeit der Rotatorenmanschette im Subakromialraum bewußt mehr Gewicht, als der wiederhergestellten knöchernen Anatomie. Der postoperativ erreichte modifizierte Constant- Score von durchschnittlich 69,5 von maximal 75 Punkten und die tiefe Kopfnekrosenzahl spricht für dieses neue, weichteilorientierte Behandlungskonzept.

Literaturverzeichnis

1. Bosch U. Fremerey R.W., Skutek M., Lobenhoffer P., Tscherne H. (1996) Die Hemiathroplastik- Primär- oder Sekundärmassnahme für 3- und 4- Fragmentfrakturen des proximalen Humerus beim älteren Menschen. Unfallchirurg 99: 656-664
2. Constant C.R. (1991) Schulterfunktionsbeurteilung. Orthopäde 20: 289-294
3. Damanakis K., Schaal O., Mann J., Müller K.H. (1996) Ein modifiziertes Behandlungskonzept bei Humerusfrakturen des älteren Menschen. Unfallchirurg 99: 561-568
4. Gerber Ch., Schneeberger A.G., Vinh Th. (1990) The arterial vascularization of the humeral head. J Bone Joint Surg [Am] Vol. 72-A No. 10: 1486-1494
5. Habermeyer P., Schweiberer L. (1992) Korrektureingriffe infolge von Humeruskopffrakturen. Orthopäde 21: 148-157
6. Jaberg H., Jakob R.P. (1987) Trümmerfrakturen des proximalen Humerus. Orthopäde 16: 320-335
7. Neer Ch. S. (1970) Displaced proximal humeral fractures (Part I). J Bone Joint Surg [Am] Vol. 52-A; No. 6: 1077-1089
8. Neer Ch. S. (1970) Displaced proximal humeral fractures (Part II). J Bone Joint Surg [Am] Vol. 52-A; No. 6: 1090-1103
9. Resch H., Beck E., Bayley L. (1995) Reconsruction of the valgus-impacted humeral head fracture. J Shoulder Elbow Surg 4: 73-80
10. Resch H., Povacz P., Fröhlich R., Wambacher M. (1997) Percutaneous fixation of three- and four - part fractures of the proximal humerus. J Bone Joint Surg [Br] Vol. 79-B, No. 2: 295-300

Legenden

Zeichnung 1: Four part fracture mit dislozierten Fragmenten
Zeichnung 2: Beginnende knöcherne Konsolidation nach 3-4 Wochen Ruhigstellung in OrthogiletŠ
Zeichnung 3 Offene Lösung und weichteilorientierte Reposition der Tuberkula und Fixation mit kanülierten Schrauben.

Abb1 Frakturtypen
Abb2 Altersverteilung der Geschlechter
Abb3 Unfallursache und Geschlecht

Tab 1 Resultate der Nachkontrollen (Modifizierter Constant Score unter Ausschluss der Kraftmessung, max. 75 Punkte)

Bsp: Patient 1:
a) Unfallbild
b) 4 Wochen posttraumatisch: Offene Reposition des Tuberkulum und Fixation mit Schraube.
c) Nach Abheilung, 6 Mte post.op. anlässlich Schlusskontrolle

Bsp: Patient 2:
a) Unfallbild
b) nach 3 Wochen Ruhigstellung
c) 6 Mte nach frühsekundärer Versorgung.

Bsp: Patient 3:
a) Unfallbild
b) 4 Monate nach frühsekundärer Versorgung
c/d/e/f) Schulterfunktion bei Abschlusskontrolle.