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Verletzungen und Erkrankungen der Rotatorenmanschette
 
 
Riss der Rotatorenmanschette und deren Folgen

Der Name Rotatorenmanschette (abgekürzt: RM) ist etwas irreleitend, da die Hauptaufgabe dieser kräftigen Muskulatur und Sehnenplatte die aktive Zentrierung des Humeruskopfes in der Gelenkpfanne während den Dreh- und Hebebewegungen des Schultergelenkkopfes ist. Nur unter präziser Aufrechterhaltung des Drehzentrums, kann der Arm in allen Richtungen gedreht und gehoben werden. Lässt die Kraft der Sehnenmanschette aus irgendwelchen Gründen nach, entsteht unter dem Schulterdach ein Konflikt zwischen Schulterdachknochen und Sehnenmanschette (Impingement). Eine chronische Schädigung und weitere Schwächung der Rotatorenmanschette (RM) ist die Folge. Da mit zunehmendem Alter und Abnützung alle Körperstrukturen schwächer und zum Teil auch lockerer werden, bleibt auch die RM von diesen Veränderungen nicht verschont. Diese sogenannt "degenerativen Veränderungen" führen dann zu einer verminderten Zentrierkraft der Manschette und dadurch zur Ermöglichung eines chronischen Impingement-Syndroms unter dem Schulterdach.

Ein Riss der Rotatorenmanschette entsteht aber auch durch ein direktes oder indirektes Trauma, wie Sturz auf den Arm oder plötzliche, ruckartige Bewegung des Armes unter starker Kraftanwendung. Meist reissen anfänglich nur verschiedene Fasern eines Sehnenanteils.

Durch den ständig anhaltenden Zug vergrössert sich die Rissläsion allmählich und kann schlussendlich nach unterschiedlich langer Zeit zu einem grossen Sehnendefekt anwachsen. Durch ein massives Trauma kann aber auch ein Grossteil der sehr starken RM auf einmal einreissen. Dies ist durchaus verständlich, wenn man bedenkt wie ungünstig die Hebelarmverhältnisse für die RM sind.

Riss der Rotatorenmanschette mit Retraktion der Rissränder und somit Ausbildung eines Sehnendefektes

Nach neueren Untersuchungen mit dem MRI wissen wir, dass eine Rotatorenmanschettenverletzung spontan oder mit konservativer Therapie nicht abheilen kann, da die Schwerkraft, welche den Arm nach unten zieht und die Zugrichtung der RM entgegengesetzt sind. Es kommt demzufolge zu einem langsamen Auseinanderziehen der Rissränder und zur Bildung eines sich vergrössernden Loches in der Sehnenhaube.

Viele Leute mit Schulterbeschwerden geben an, früher ein Trauma der Schulter erlebt zu haben, die Schulter sei jedoch danach wieder beschwerdefrei geworden. Sie hätten wieder Sport und alle Arbeiten schmerzfrei ausüben können. Ein neues und zum Teil unbedeutendes Bagatelltrauma führt dann zur Dekompensation und die klinischen und apparativen Untersuchungen ergeben nicht selten eine erhebliche Schädigung der RM. Dies führt den Versicherer zum Schluss, es handle sich bei der Läsion um eine degenerative Veränderung und lehnt die Übernahme der Behandlungskosten ab. Wahrscheinlicher ist es aber beim Erstunfall zu einer Teilruptur der RM gekommen, welche durch die natürliche Kompensationsfähigkeit des Körpers beschwerdefrei geworden ist. Die dadurch geschwächte RM vermochte allerdings in der Folge die Zentrierungsaufgabe zunehmend nicht mehr optimal auszuführen. Es kommt zu einem chronischen Einklemmungssyndrom mit weiterer Schädigung der Sehnenmanschette, welche dann bei einem neuen und zum Teil harmlosen Trauma weiter einreissen kann. Nach Darstellung des Versicherers ist dieses neue Trauma "nicht adäquat", was ebenfalls nicht von der Hand zu weisen ist. Das Ganze aber mit dem Alter des Patienten oder mit sog. üblichen, altersentsprechenden degenerativen Veränderungen zu begründen, kommt dem wirklichen Sachverhalt ebenfalls nicht näher. Wie Sie sehen, führen all diese Überlegungen und Erkenntnisse zu den bekannten Streitigkeiten zwischen Unfall-Versicherer, Krankenkassen und Patienten. Ganze Scharen von Juristen leben gut davon.

Der plötzliche Riss der RM geht meistens mit einem erheblichen Funktionsverlust des Armes einher. Obwohl sich die Beweglichkeit wegen der ausserordentlichen Kompensationsfähigkeit der übrigen Schultergürtelmuskulatur wieder normalisieren kann, führen meist hartnäckige Schmerzen oder Kraftlosigkeit den Patienten zum Arzt und Schulterspezialisten. Die Lebensqualität stark einschränkend sind vor allem die Nachtschmerzen. Diese sind einfach erklärbar. Tagsüber wird der Arm durch die Schwerkraft etwas nach unten gezogen, was für die verletzte RM zu einer entlastenden Erweiterung des Platzes unter dem Schulterdach führt. Nachts, beim Liegen ist diese ziehende Schwerkraft nicht wirksam, weswegen durch den Muskeltonus der übrigen Schultergürtelmuskulatur der Oberarmkopf nach oben gezogen wird und dadurch die verletzte Manschette unter dem Schulterdach eingeklemmt wird.

Die Abklärung der RM- Ruptur ist klinisch, mit der Sonographie und am zuverlässigsten mit der Arthro-MRI-Untersuchung möglich.Während früher solche Verletzungen kaum operiert wurden, da auch die Resultate nach der Operation ungenügend waren, hat sich heute die Einstellung der Schulterspezialisten der Behandlung dieser Verletzungen gegenüber gewandelt. Gerade weil wir wissen, dass ein Riss spontan nicht abheilen kann, durch zu langes Warten die Läsion sich ausdehnt und sich später beinahe immer zu einem schwierigen bis unlösbaren Problem entwickelt, ist es heute empfohlen, den Riss früh operativ zu versorgen, wenn die Gewebekonditionen noch gut sind und die Rekonstruktion noch ein gutes Resultat verspricht. Je grösser der zu versorgende Defekt ist, umso schwieriger der Eingriff und das Resultat schwieriger abschätzbar. Für die Rekonstruktion einer RM-Verletzung braucht es jedoch einen versierten und in der Schulterchirurgie absolut bewanderten Spezialisten, um mit zuverlässiger Sicherheit dem Patienten auch ein gutes Resultat in Aussicht zu stellen. Für die Versorgung grosser RM-Defekte ist sogar Virtuosität gefordert. Die offene Rekonstruktion mit gleichzeitiger Dacherweiterung und anderen "Umgebungsarbeiten" ergibt in der Regel sehr gute Resultate.

Eine kleine RM- läsion, ein Ausriss mit noch nicht zu weit retrahierter Sehnenkappe oder eine vom Knochen unvollständig abgelöste Sehne können heute arthroskopisch refixiert werden. Die Resultate scheinen der offnen Operationstechnik vergleichbar, aber nur in den Händen "geübter Arthroskopiker". Nach meinen langjährigen Erfahrungen sind die Resultate der arthroskopischen Rekonstruktionen noch nicht vergleichbar mit den Resultaten meiner eigenen offenen Rekonstruktionen. Bei all den entsprechenden Studien ist immer der Vergleichsmassstab, die Vergleichskriterien entscheidend; z.B. mit welchen "Offenen Rekonstruktionsresultaten" vergleiche ich meine "arthroskopischen Resultate" und für welchen postoperativen Zeitraum gelten diese Resultate. Ob arthroskopisch oder offen, entscheidend für das gute Resultat ist nebst dem Patienten v.a. der Operateur: Er muss seine Methode mit all den Tricks und Varianten absolut beherrschen. Sein Massstab kann kaum hoch genug sein.

Auf den folgenden Zeichnungen möchte ich Ihnen mögliche Varianten der RM-Rekonstruktion aufzeigen. Keine Ruptur sieht gleich aus. Jede muss individuell optimal versorgt werden und verlangt deswegen vom Operateur grosse Anpassungsfähigkeiten an die lokalen Gegebenheiten, an die Grösse und Form der Läsion, an den Zustand des gerissenen Gewebes u.s.w.