Nach neueren Untersuchungen mit dem MRI wissen wir, dass
eine Rotatorenmanschettenverletzung spontan oder mit konservativer
Therapie nicht abheilen kann, da die Schwerkraft, welche den
Arm nach unten zieht und die Zugrichtung der RM entgegengesetzt
sind. Es kommt demzufolge zu einem langsamen Auseinanderziehen
der Rissränder und zur Bildung eines sich vergrössernden Loches
in der Sehnenhaube.
Viele Leute mit Schulterbeschwerden geben an, früher ein
Trauma der Schulter erlebt zu haben, die Schulter sei jedoch
danach wieder beschwerdefrei geworden. Sie hätten wieder Sport
und alle Arbeiten schmerzfrei ausüben können. Ein neues und
zum Teil unbedeutendes Bagatelltrauma führt dann zur Dekompensation
und die klinischen und apparativen Untersuchungen ergeben
nicht selten eine erhebliche Schädigung der RM. Dies führt
den Versicherer zum Schluss, es handle sich bei der Läsion
um eine degenerative Veränderung und lehnt die Übernahme der
Behandlungskosten ab. Wahrscheinlicher ist es aber beim Erstunfall
zu einer Teilruptur der RM gekommen, welche durch die natürliche
Kompensationsfähigkeit des Körpers beschwerdefrei geworden
ist. Die dadurch geschwächte RM vermochte allerdings in der
Folge die Zentrierungsaufgabe zunehmend nicht mehr optimal
auszuführen. Es kommt zu einem chronischen Einklemmungssyndrom
mit weiterer Schädigung der Sehnenmanschette, welche dann
bei einem neuen und zum Teil harmlosen Trauma weiter einreissen
kann. Nach Darstellung des Versicherers ist dieses neue Trauma
"nicht adäquat", was ebenfalls nicht von der Hand
zu weisen ist. Das Ganze aber mit dem Alter des Patienten
oder mit sog. üblichen, altersentsprechenden degenerativen
Veränderungen zu begründen, kommt dem wirklichen Sachverhalt
ebenfalls nicht näher. Wie Sie sehen, führen all diese Überlegungen
und Erkenntnisse zu den bekannten Streitigkeiten zwischen
Unfall-Versicherer, Krankenkassen und Patienten. Ganze Scharen
von Juristen leben gut davon.
Der plötzliche Riss der RM geht meistens mit einem erheblichen
Funktionsverlust des Armes einher. Obwohl sich die Beweglichkeit
wegen der ausserordentlichen Kompensationsfähigkeit der übrigen
Schultergürtelmuskulatur wieder normalisieren kann, führen
meist hartnäckige Schmerzen oder Kraftlosigkeit den Patienten
zum Arzt und Schulterspezialisten. Die Lebensqualität stark
einschränkend sind vor allem die Nachtschmerzen. Diese sind
einfach erklärbar. Tagsüber wird der Arm durch die Schwerkraft
etwas nach unten gezogen, was für die verletzte RM zu einer
entlastenden Erweiterung des Platzes unter dem Schulterdach
führt. Nachts, beim Liegen ist diese ziehende Schwerkraft
nicht wirksam, weswegen durch den Muskeltonus der übrigen
Schultergürtelmuskulatur der Oberarmkopf nach oben gezogen
wird und dadurch die verletzte Manschette unter dem Schulterdach
eingeklemmt wird.
Die Abklärung der RM- Ruptur ist klinisch, mit der Sonographie
und am zuverlässigsten mit der Arthro-MRI-Untersuchung möglich.Während
früher solche Verletzungen kaum operiert wurden, da auch die
Resultate nach der Operation ungenügend waren, hat sich heute
die Einstellung der Schulterspezialisten der Behandlung dieser
Verletzungen gegenüber gewandelt. Gerade weil wir wissen,
dass ein Riss spontan nicht abheilen kann, durch zu langes
Warten die Läsion sich ausdehnt und sich später beinahe immer
zu einem schwierigen bis unlösbaren Problem entwickelt, ist
es heute empfohlen, den Riss früh operativ zu versorgen, wenn
die Gewebekonditionen noch gut sind und die Rekonstruktion
noch ein gutes Resultat verspricht. Je grösser der zu versorgende
Defekt ist, umso schwieriger der Eingriff und das Resultat
schwieriger abschätzbar. Für die Rekonstruktion einer RM-Verletzung
braucht es jedoch einen versierten und in der Schulterchirurgie
absolut bewanderten Spezialisten, um mit zuverlässiger Sicherheit
dem Patienten auch ein gutes Resultat in Aussicht zu stellen.
Für die Versorgung grosser RM-Defekte ist sogar Virtuosität
gefordert. Die offene Rekonstruktion mit gleichzeitiger Dacherweiterung
und anderen "Umgebungsarbeiten" ergibt in der Regel
sehr gute Resultate.
Eine kleine RM- läsion, ein Ausriss mit noch nicht zu weit
retrahierter Sehnenkappe oder eine vom Knochen unvollständig
abgelöste Sehne können heute arthroskopisch refixiert werden.
Die Resultate scheinen der offnen Operationstechnik vergleichbar,
aber nur in den Händen "geübter Arthroskopiker".
Nach meinen langjährigen Erfahrungen sind die Resultate der
arthroskopischen Rekonstruktionen noch nicht vergleichbar
mit den Resultaten meiner eigenen offenen Rekonstruktionen.
Bei all den entsprechenden Studien ist immer der Vergleichsmassstab,
die Vergleichskriterien entscheidend; z.B. mit welchen "Offenen
Rekonstruktionsresultaten" vergleiche ich meine "arthroskopischen
Resultate" und für welchen postoperativen Zeitraum gelten
diese Resultate. Ob arthroskopisch oder offen, entscheidend
für das gute Resultat ist nebst dem Patienten v.a. der Operateur:
Er muss seine Methode mit all den Tricks und Varianten absolut
beherrschen. Sein Massstab kann kaum hoch genug sein.
Auf den folgenden Zeichnungen möchte ich Ihnen mögliche
Varianten der RM-Rekonstruktion aufzeigen. Keine Ruptur sieht
gleich aus. Jede muss individuell optimal versorgt werden
und verlangt deswegen vom Operateur grosse Anpassungsfähigkeiten
an die lokalen Gegebenheiten, an die Grösse und Form der Läsion,
an den Zustand des gerissenen Gewebes u.s.w.
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