Wenn eine Rotatorenmanschettenruptur (-riss) lange Zeit besteht,
z.T. über Jahre, oder das Gewebe sich schnell nach der Rissläsion
zurückzieht, entsteht ein Defekt, der mit üblichen Methoden
nicht mehr reparierbar ist. Häufig hat in dieser langen Zeit
der Körper gelernt, sich an den zunehmenden Defekt zu gewöhnen
und den Ausfall zu kompensieren. Dies bedeutet, dass es dem
Patienten auch bei recht erheblichem Defekt noch lange möglich
sein kann, den Arm einigermassen zu bewegen. Bei einem geringfügigen
Trauma, bei einem Bagatellereignis, kann durch Nachreissen
der Manschette dann allerdings das erreichte Gleichgewicht
dekompensieren und es entsteht die Situation, dass der Arm
plötzlich nicht mehr gehoben werden kann, wie eine Lähmung.
Es handelt sich dabei immer um ein einschneidendes Erlebnis
und die Patienten sind darüber sehr beunruhigt. In der Sprechstunde
höre ich dann immer wieder den Satz: "Ich hatte nie etwas
an der Schulter, konnte den Arm immer normal bewegen bis zu
diesem Moment." Es ist einem denn auch unverständlich,
wenn die Unfallversicherung prüft, ob es sich tatsächlich
um eine Unfallfolge handelt.
Da jedoch bekannterweise der Defekt, d.h. die Sehnenläsion
über Jahre weitgehend unbemerkt fortschreiten kann und erst
anhanden eines neuen Traumas in vollem Umfang und Tragweite
zu Tage treten kann, sind die Diskussionen der Versicherer
nicht unverständlich: Der Entscheid, handelt es sich um ein
degeneratives Geschehen des Bewegungsapparates, der Sehnen,
also im Sinne einer fortschreitenden Erkrankung oder Alterung
mit Gewebeschwächung, oder handelt es sich um eine vorgeschädigte
Sehne, die durch ein adäquates Trauma richtungsweisend verschlechtert
wurde, ist nicht immer einfach zu fällen und beschäftigt ganze
Stäbe von Versicherungsjuristen und Mediziner.
Solange der Sehnenapparat reparierbar ist, sollte er unbedingt
rekonstruiert werden.
Erst wenn der Sehnendefekt zu gross ist oder der Gelenkkopf
unter dem Schulterdach definitiv fixiert ist oder die Gelenkflächen
an Kopf und Pfanne bereits deformiert und zerstört sind (Defektarthropathie),
erst dann ist die Gelenksersatzoperation indiziert, d.h. gerechtfertigt.
Eine Gelenksersatzoperation kann in einem solchen Falle
nicht mit einer normalen Gelenkersatzprothese erfolgen, denn
die gute Funktion einer solchen Prothese wäre ebenso von der
guten Funktion der Rotatorenmanschette abhängig. Wenn die
Rotatornemanschette als zentrierende Kraft im Gelenk fehlt,
muss die Prothese diese Funktion der Rotatorenmanschette übernehmen.
Dies ist nur durch eine Umkehr (inverse) Prothese möglich.
Das bedeutet, dass das Drehzentrum durch die Prothese selbst
fixiert werden muss, also wie beim Hüftgelenk.
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